„Die Übernutzung der Böden gefährdet unsere Gesundheit“

Herr Professor Hutter, als Umweltmediziner beschäftigen Sie sich mit den Auswirkungen von Umwelteinflüssen auf die menschliche Gesundheit. Inwiefern hängen gesunde Böden und gesunde Menschen zusammen?

Böden sind komplexe Systeme, die viele für uns Menschen überlebenswichtige Funktionen übernehmen: Sie filtern Schadstoffe, speichern Wasser, liefern Nahrungs- und Futtermittel und sind als immenser Kohlenstoffspeicher auch für die Regulation unseres Weltklimas enorm wichtig. Der Boden fungiert quasi als Auffangbecken für einen großen Anteil der Schadstoffe, die in unsere Umwelt gelangen. Sämtliche dieser biologischen Funktionen gehen verloren, wenn der Boden versiegelt wird. Leider gehört Österreich zu den Weltmeistern im Bodenverbrauch. Das hat nicht nur negative Folgen für Biodiversität und Klimaschutz, sondern wird immer mehr auch zu einem Risiko für die Gesundheit von uns Menschen.

Von welchen Risikofaktoren sprechen Sie konkret?

Durch die fortschreitende Bodenversiegelung nehmen sogenannter „urbaner Hitzeinseln“ zu. Darunter versteht man städtische Bereiche mit hohem Versiegelungsgrad, dichter Verbauung und fehlendem Vegetationsanteil, die sich dadurch an heißen Sommertagen stark aufheizen und nachts nicht ausreichend abkühlen. Das kann bei Menschen zu Beeinträchtigungen von Erholungsphasen und Schlaf führen. Für besonders verletzlichen Personengruppen wie Ältere, Kranke, aber auch Babys und Kleinkinder kann diese Exposition ernste gesundheitliche Folgen haben. Zahlreiche Studien konnten in den vergangenen Jahren die Zusammenhänge zwischen Hitzetagen und erhöhter Übersterblichkeit zeigen. Mit zunehmender Verbauung und fortschreitender Klimaerhitzung, ist zu erwarten, dass sich dieses Gesundheitsrisiko noch verschärft.

Müssen wir uns auf mehr Naturgefahren einstellen?

Leider ja. Durch den Klimawandel ist insgesamt mit einer Zunahme von Extremwetterereignissen zu rechnen, dazu zählen etwa Starkregenereignisse. In Kombination mit fortschreitender Bodenversiegelung kommt es bei solchen Starkregenereignissen zu einer größeren Gesamtmenge an Abwasser, mit dem sich betroffene Siedlungen auseinandersetzen müssen. Erschwerend kommt hinzu, dass besonders in kleineren urbanen Räumen die Verbauung zunimmt, ohne dass die Abwassersysteme an diese Anforderungen angepasst werden. Neben den offensichtlichen direkten Folgen von Überschwemmungen, wie etwa lebensbedrohliche Verletzungen und Schäden am Eigentum, gibt es zusätzliche weit weniger beachtete Konsequenzen. Dazu zählen etwa Verunreinigungen des Trinkwassers, Schadstoffe, die mit dem Hochwasser direkt in die Keller und Häuser der Menschen gelangen und sich dort in den Wänden festsetzen bis hin zu posttraumatischen Belastungsstörungen bei den Betroffenen. Wenn die Raumordnung nicht deutlich gegensteuert, ist davon auszugehen, dass sich Siedlungsräume auch in Zukunft weiter in Hochwassergefahrenzonen oder Murengebiete ausdehnen.

Stichwort psychische Belastung: Wie wirkt sich die Verbauung Österreichs auf die psychische Gesundheit der Menschen aus?

Den psychosozialen Folgen wird leider nach wie vor nicht genügend Beachtung geschenkt. Beispielsweise kann Verbauung in Form von Straßen auch ein erhöhter Lärmpegel einhergehen. Lärmstress, gestörte Erholung, Einschränkungen körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit, bis hin zu Herzkreislauferkrankungen sind nur einige der Folgen, die sich negativ auf unsere Gesundheit bzw. unsere Lebensqualität auswirken können.

Wien Favoriten - Bodenversiegelung verstärkt Hitzeinseln, Verkehrslärm und Naturgefahren

Welche konkreten Maßnahmen können gesetzt werden, um dem Flächenfraß Einhalt zu gebieten?

Es bräuchte eine bundesweit einheitliche Grundstrategie und verbindliche staatliche Vorgaben für Gemeinden in Bezug auf die Einhaltung der Entwicklungsziele mit einem wirksamen Schutz wertvoller Grünflächen und Naturräume. Deren Erhalt ist Eckpfeiler eines ganzheitlichen Gesundheitsschutzes. Auch die Nutzung leerstehender Bauten bietet sich an. Außerdem braucht es Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung, sodass wir alle auch im privaten Bereich bewusst auf platzsparendes Bauen und den Erhalt von Grünflächen achten.

 

Bildtext: Assoz.-Prof. PD DI Dr. med. Hans-Peter Hutter ist Facharzt für Hygiene und Mikrobiologie mit Schwerpunkt Umweltmedizin und stellvertretender Leiter der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin an der Medizinischen Universität Wien.

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